Facebook sorgt in letzter Zeit für viel Aufregung in der Social Media Marketing Branche. Nestlé Media Chefin Beuchler will die Aktivitäten auf Facebook überdenken, Eat24 verabschiedet sich ganz von Facebook. Es häufen sich Blogartikel, die Facebook kritisieren.

 

Was ist passiert? Die organische Reichweite auf Facebook ist gesunken.

Von ehemals 12% Reichweite einzelner Postings innerhalb der eigenen Fanbase sind teilweise nur noch 2% Reichweite übrig geblieben. Daher müssen Marken Mediabudgets in die Hand nehmen, um ihre Fans zu erreichen.

Es scheint, als wären die (teilweise kostspieligen) Bemühungen, eine große Fanbasis aufzubauen, der man anschliessend mit etwas redaktionellem Aufwand Marketing-Botschaften zukommen lassen kann, fruchtlos gewesen.

 

Organic_Reach_Chart

 

 

Wie kommt’s? Ein ganz normaler Effekt der Attention Economy und der Wunsch nach Content Qualität.

  • Facebook Nutzer folgen immer mehr Marken auf Facebook und haben immer mehr Facebook-Freunde. Noch vor 2 Jahren hatte ein Facebook Nutzer durchschnittlich 130 Freunde, heutzutage sind es über 330.
  • Das bedeutet: immer mehr Content von Freunden und Marken buhlt um die Aufmerksamkeit im Newsstream.
  • Facebook will Qualität statt Quantität. Im Gegensatz zu Twitter, wo alle Tweets ungefiltert und gleichberechtigt im Stream runterrasseln, regelt bei Facebook ein Algorithmus, welche Inhalte im Newsfeed erscheinen.
  • Das Resultat: Markenpostings werden aus 98% der Newsfeeds rausgefiltert, die organische (kostenlose) Reichweite ist gesunken. Um einen nennenswerten Anteil der eigenen Fans zu erreichen, müssen Marken nun Geld auf den Tisch legen.

 

Facebook ist das erste Social Network, das so verfährt, andere werden womöglich nachziehen. Facebook kann es sich leisten, es ist das Social Network mit der höchsten Nutzerzahl weltweit. Die hohen „Sunk Costs“ für den Fanaufbau werden viele Unternehmen dazu nötigen, dennoch weiterhin ihre Facebook Präsenz zu betreiben.

Die Tatsache, dass ein Unternehmen für Reichweite Geld verlangt, ist normal in der Werbebranche. Aber durch das Angebot kostenloser Fanpages, entstand über Jahre hinweg die falsche Erwartungshaltung, dass zwar der Fanaufbau etwas Geld kostet, eine gewisse Reichweite jedoch kostenlos ist. Obwohl jedem hätte klar sein müssen, dass das Freibier nicht ewig hält.

Denn das ist der eigentliche Aufreger: erst hat Facebook Geld für eine Freibier-Party kassiert (Fanaufbau durch Ads), und kaum sind alle Marken dabei, gibt es das Freibier nur noch in ganz kleinen Gläsern (eine Reichweite von 2%). Wer mehr will, muss zahlen. Klar, dass jetzt viele Marketingentscheider angefressen sind.

 

Wie geht’s weiter? „Owned Media“ wird für die Beziehungspflege wieder interessanter, Facebook wird eine Reichweitenplattform.

Scott Woods selbst will das Wort „Social“ nicht mehr hören und verweist auf die Reichweiten Instrumente von Facebook. Es wird also ein Reichweitenmedium wie Spiegel Online oder ähnliche.

Zugegebenermaßen bietet Facebook immer noch einen Social Context in den Ads, sowie sehr interessante Targeting Optionen (z.B. Customer und Lookalike Audiences), aber Beziehungsaufbau und Dialog wird auf Dauer zu kostspielig, wenn alle Inhalte mit Hilfe von Mediabudgets verbreitet werden müssen.

Dialog, CRM, Beziehungspflege in jeglicher Hinsicht wird (und sollte) also weiterhin über eigene Kanäle stattfinden. E-Mail Marketing, Blogs und eigene Communities, all das steht Marken weiterhin zur Verfügung und wird eine Renaissance erleben.

Dort haben Marken Anfangs ebenfalls keine Reichweite, aber zumindest mehr Kontrolle über die Entwicklung des Kanals – und natürlich auch über die dort generierten, bzw. verwendeten und veröffentlichten Daten und Inhalte.

 

Was wird aus den Social Networks? Am meisten werden Social Networks mit einem Vertrauensverlust zu kämpfen haben.

Denn was sich durch diese Änderung bei Facebook auch breit macht: eine zunehmende Grundskepsis gegenüber externen Plattformanbietern. Das Vertrauen ist dahin. Oder, wie Gerald Hensel in einer Twitter Diskussion mit mir schreibt:

 

 

Wer sich auf das Terrain dieser Plattformen begibt, muss eben akzeptieren, dass er nur Gast ist und das Spiel der jeweiligen Plattform mitspielen, ob er will oder nicht.

Wie Sascha Lobo bereits 2012 in der Spiegel Online Kolumne „Euer Internet ist nur geborgt“ schrieb:

All ihr digitales Schaffen findet im geborgten Internet statt. (…) Aber wer auf seine digitale Freiheit Wert legt, für den bleibt – solange freie Social Networks wie Diaspora noch irrelevant sind – nur das schönste, aber anstrengendste Instrument für die soziale Vernetzung und das Teilen von Inhalten übrig: die selbst kontrollierte Website, also das Blog.

 

Das trifft natürlich auch für Marken zu. Deren Social Media Channel, Profile oder Pages sind ebenfalls nur temporär und den konstanten Veränderungen und Redesigns der Plattformen ausgeliefert.

 

Damit wird Social Media (weiterhin) nur flankierend eingesetzt werden. Wo es Sinn macht, werden Marken sich in die Netzwerke der Nutzer begeben, versuchen mit guten Inhalten relevante Mehrwerte zu bieten und mit Media für deren Verbreitung sorgen. Echter Beziehungsaufbau wird aber über „Owned Media“ erfolgen. Die Social Networks sind hier lediglich Konversationsstarter und Traffic-Lieferanten.

 

Das wird für die Plattformbetreiber vermutlich reichen. Die wahren Verlierer sind all die Agenturen, die bisher mit Beziehungsaufbau und -pflege für Marken auf Social Media Plattformen wie Facebook ihr Geld verdient haben.